Über`s Goaßlschnalzen

 

..warum des so is...
Durch das Bauernsterben in den letzten Jahrzehnten ging vieles vom bäuerlichen Brauchtum verloren. In der Landwirtschaft setzte bald nach dem 2. Weltkrieg ein „Gesundschrumpfungsprozess“ ein, d.h. die Zahl der kleinen und mittleren Betriebe nahm drastisch ab. Über die Mechanisierung versuchte man die Abwanderung vieler Erwerbstätiger aus der Landwirtschaft auszugleichen und gleichzeitig die Produktion zu erhöhen. „Wachsen oder weichen“ hieß nun für Jahrzehnte die Devise. Damit eng verbunden war eine Spezialisierung, um die teuren Maschinen rentabel einzusetzen. Durch diese marktorientierten Produkte wurden gerade die Zugpferde wegrationalisiert.
Die Pferde- und Ochsenfuhrwerke, in manchen Gegenden auch Kuhgespanne, wurden immer seltener, denn mit dem Traktor kam man schneller vorwärts und konnte gleichzeitig mehr leisten. So nahm Ende der 50er, Anfang 60er die Pferdezucht stark ab. Die Ochsenfuhrwerke waren in erster Linie in den kleinen Bauernhöfen üblich gewesen, wo man entweder mit der Landwirtschaft ganz aufhörte oder im Nebenerwerb als „Feierabendlandwirt“ abends und am Wochenende die Felder mit den Maschinen bestellte.
Damit nahm auch das Fuhrmannsbrauchtum ab. Das lustige Schnalzen, an dessen Klang man schon von weitem den einzelnen Fuhrmann erkannt hatte, hörte mehr und mehr auf. Nunmehr konnte man am unterschiedlichen Tuckern der Traktoren die einzelnen Bauern unterscheiden.
Einige traditionsbewusste Rosserer hielten sich noch Pferde für die Holzarbeit oder für die Leonhardifahrt. Aber man hatte kaum noch Zeit zum Schnalzen, denn es pressierte jetzt bei der Arbeit. Schnalzen war eine Freude für die Bauern und Fuhrleute gewesen. Wenn man mit den Fuhrwerken die langen Wegstrecken von der Wiese zum Hof, von den Waldungen zur Säge oder als Bote mit Lasten unterwegs war, vertrieb man sich die Zeit und vergnügte sich mit einigen Schnalzertakten. Man erfand einige Schnalzerweisen. Und jeder Fuhrmann wusste in den Ortschaften die Stellen, wo von den Hauswänden das Schnalzen am besten widerhallte. Und wenn in aller Herrgottsfrühe die Fuhrleute in die Städte und Märkte fuhren und schnalzten, wachte so mancher verschlafene Bürger verdrossen auf.
Das Schnalzen hatte aber auch einen praktischen Zweck. Es diente der Verständigung, war sozusagen Hupe oder Glocke. Wenn man in eine der vielen Hohlgassen hineinfuhr oder eine Engstelle zu passieren war, schnalzte man recht kräftig, damit ein anderer Fuhrmann, der von der anderen Seite einfahren wollte, wartete.
Das Schnalzen war nur im Sommer und bei klarem Wetter möglich. Denn im Winter dämpfte der Schnee zu sehr bzw. der Nebel verschluckte den Klang. Zur Winterszeit hatten die Rösser zudem das Schellengeläute an den Kummeten überhängen, so dass jeder schon von weitem das Fuhrwerk nahen hörte. Wenn es aber aper wurde, ging das Schnalzen wieder auf, und die Fuhrleute erkannte man von weitem schon an ihren bestimmten Melodien. Beim Vorbeifahren schnalzte man sich zu und freute sich über diese Begrüßung. All das hörte mit dem Rückgang der Rösser und Ochsen auf, denn auf den Traktoren brauchte man nicht mehr zu schnalzen.
Selbst die Leonhardifahrten drohten Mitte der 60er Jahre ihrem Ende entgegenzugehen, da immer weniger Pferdebesitzer zu finden waren. Hier hörte man noch den lautstarken Klang der Fuhrleute, wenn sie voller Stolz mit den geschmückten Wägen zu Ehren des Viehpatrons St. Leonhard die Wegstrecken dahinzogen. Den Jungen wurde das Schnalzen nicht mehr gelernt, genauso wenig wie Dengeln oder mit der Sense mähen. Es fiel der Rationalisierung zum Opfer.
Aber an manchen Orten gab es erfahrene, alte Bauern, Fuhrleute und Brauchtumsfreunde, die sich dieses recht unscheinbaren Brauchtums annahmen. Sie wollten nicht wahrhaben, dass diese uralte Form einer bäuerlichen Kultur untergehe, die besonders das Gemüt des Menschen anspricht.
Im Werdenfelser Land veranstaltete der Volkstrachtenverein „Werdenfelser Heimat“ seit 1956 die Partenkirchener Festwoche und lud ab 1958 die Werdenfelser Fiaker, Rosserer und Ochserer zum Goaßlschnalzen ein. Im Oberland zeigten die Leonhardifahrer ihren Kindern und den Nachbarsbuben das Schnalzen, und auch im Chiemgau gab es noch traditionsbewusste Bauern. Zudem nahmen sich jetzt landwirtschaftliche Stellen dieses alten Brauchtums an.
Die eigentliche Revolutionierung des Brauches, damit verbunden aber die entscheidende Neubelebung, brachten die Priener dann 1963. Sie unterlegten den Schnalzerweisen eine Musik. Damit änderten sich die ursprünglichen Marschrhytmen – kurze Weisen- in verschiedene Taktarten, und es entstanden nunmehr an Stelle der Einzelschnalzer Gruppen mit mehreren Schnalzern. Geändert hat sich in der Folge auch die Trägerschaft des Brauchtums, denn nicht mehr Bauern und Fuhrleute, sondern vor allem junge Angehörige nicht landwirtschaftlicher Berufe lernten das Schnalzen.

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